Bibliolog – Aus Liebe zur Schrift

Seit vielen Jahren bin ich im christlich-jüdischen Dialog engagiert. Deshalb hat mich der Koordinierungsrat der GCJZ (Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit) gefragt, ob ich für das Jahresthemenheft 2012 „in Verantwortung für den Anderen“ einen Artikel über Bibliolog schreiben könnte und zwar speziell im Hinblick auf das interreligiöse Gespräch. Die Abbildungen sind alle anders als in der Printausgabe. Hier sehen Sie Fotos, die im Rahmen meiner Kurse und Veranstaltungen oder im Rahmen meiner Aus- und Fortbildung bei Peter Pitzele entstanden sind. Das Copyright für alle Abbildungen ist bei mir.

Bibliolog: Aus Liebe zur Schrift und weil jede/r etwas zu sagen hat

Die Bibel ist ein Drehbuch.
Du versteht sie nur, wenn du mitspielst.
Es ist egal, welche Rolle du übernimmst:
ob du an der Rampe spielst
oder im Hintergrund, ob du Held bist
oder Gefangene, ob du Prophetin bist
oder Feldherr, ob du schweigst oder
redest, ob du deine Sätze
hinaussprudelst oder stotterst,
ob du deine Rolle kennst oder
an den Souffleurkasten gehst…

so schreibt Wilhelm Bruners in einem Gedicht. Mit seinen Worten lade ich Sie ein zu einer Reise ein über Zeiten und Länder hinweg, eine Reise in einen biblischen Text, den wir miteinander erforschen wollen. Heute ist der fünfte Tag von Sukkot und die Uschpisin, die biblischen Gäste in unserer Sukka heute sind Mosche und Zippora. Ich bin Ihre Reiseleitung, führe in die Geschichte ein, lese aus der Torah und halte an manchen Stellen an. Dann spreche ich Sie als biblische Person an und stelle eine Frage.

So oder ähnlich beginne ich einen Bibliolog. Vor neun Jahren habe ich diesen Zugang bei einem amerikanischen Juden, Peter Pitzele, Literaturwissenschaftler und Psychodramatiker aus New York, kennengelernt. Seit über fünf Jahren bin ich Ausbilderin im europäischen Netzwerk Bibliolog. Je länger ich bibliologisch arbeite, desto mehr begeistert mich diese Form des Entdeckens und Auslegens biblischer Texte, denn Bibliolog ist inklusiv: Jede/r kann mitmachen. Je unterschiedlicher die Teilnehmenden sind, desto bereichernder und vielfältiger ist das gemeinsame Entdecken: Vom Grundschul- bis zum Seniorenalter, Vorkenntnisse der Teilnehmenden spielen keine Rolle und unterschiedliche persönliche und religiöse Hintergründe sind eine Bereicherung für alle. Auch Menschen, die sonst oft bei sprachlichen Gruppenaktivitäten am Rand stehen, können sich beteiligen: Migranten mit eingeschränkten sprachlichen Kenntnissen, geistig behinderte und auch dementiell veränderte Menschen können sich bei fachlich fundierter Anleitung einbringen. In die Sukka, in die ich Sie heute mitnehme sind religiöse und säkulare Juden gekommen. Einige haben nicht-jüdische Familienangehörige oder Freunde mitgebracht.

Ich erzähle die Geschichte von Mosches Flucht und wie er am Brunnen von Midian ankommt. Ich beschreibe die Szene, schlage die Torah auf und lese aus Schemot Kap. 2 (Exodus 2):

„Mosche flüchtete nach Midian. Dort machte er an einem Brunnen Rast“ Dann spreche ich die Teilnehmenden als Mosche an und frage, was sie jetzt in dieser Situation bewegt. Die Antworten können ganz unterschiedlich sein, und das ist im Bibliolog gewollt:

– Ich bin müde und erschöpft. Endlich ein Brunnen, wo ich mich ausruhen kann.
– Wie ist denn hier eigentlich mein Aufenthaltstitel? Wenn hier Einheimische kommen, muß ich dann vorsichtig sein oder sind sie mir wohl gesonnen?
– Wenn der Pharao Kopfgeldjäger auf mich angesetzt hat und die hierher kommen, wird dann ein Auslieferungsverfahren eingeleitet?
– Endlich Wasser – endlich was zu trinken.
– Ich habe schon tagelang mit keiner Menschenseele gesprochen.
– Ich fühle mich so entwurzelt. Ägypten ist weit weg, liegt hinter mir. Und jetzt?

Bei jeder dieser Äußerungen versuche ich das Anliegen zu erfassen und wiederhole, was ich verstanden habe, mit meinen eigenen Worten. Gelegentlich frage ich auch nach, wenn ich etwas nicht verstanden habe oder in einem Beitrag noch etwas verborgen liegen könnte. Durch das Wiederholen („Echoing“) verlangsame ich den Prozeß. Auch leise Gesprochenes wird für alle verständlich und jeder Beitrag ist gleich wichtig und wird wertgeschätzt. Das Wiederholen ermöglicht auch eine tiefere Ebene des Verstehens und klärt. Durch die Entschleunigung kommen Details, die sonst übersehen werden, ganz anders ins Blickfeld.

Nach einigen Teilnehmeräußerungen beende ich die Rolle, gehe weiter in der Geschichte und halte an einer anderen Stelle an. So bewege ich mich mit der Gruppe durch die Geschichte. Durch das Hören der Beiträge von anderen, die Gedanken und Details zur Sprache bringen, die einem einzelnen nicht einfallen würden, entfaltet sich der Text immer wieder neu. Das erlebe ich immer wieder bei Texten, die ich oft bibliologisch anleite. Ich frage in die Lücken des Textes hinein, dort wo der Duktus des Textes nicht erzählt, sondern andeutet. Wie ist das für die Töchter des Jitro jeden Tag zu erleben, dass sie am Brunnen von den Hirten bedrängt werden? Und was ist der erste innere Impuls von Mosche als er das mitbekommt?

schwarzes Feuer – weißes Feuer (Alla Krasnitski)

Die jüdische Tradition spricht vom „schwarzen Feuer“ und vom „weißen Feuer“ Das „schwarze Feuer“ ist dir wörtliche Bedeutung des Textes (Peschat), das weiße Feuer steht für die Ideen, Auslegungen, Andeutungen hinter dem Text – die Botschaften „zwischen den Zeilen“, die zum Leben kommen, wenn wir den Text befragen und mit in Beziehung treten. Die schwarzen Buchstaben begrenzen. Zugleich sind sie begrenzt und festgelegt. Die weißen Räume dazwischen verweisen uns auf den Bereich jenseits des Intellekts – des Grenzenlosen, des sich immer Verändernden und Verwandelnden. Sie stehen auch für das Schweigen, für das noch nicht Sagbare, das Unsagbare.

Die Rabbinen haben dafür eine Methodik entwickelt, wie etwa die 13 halachischen Auslegungsregeln des Rabbi Jischmael. In der jüdischen Tradition sprechen wir vom Midrasch, Geschichten und Diskussionen, die den Torahtext (schwarzes Feuer) immer wieder neu auslegen und aktualisieren. In Amerika wird Bibliolog (dort „bibliodrama“ genannt) als „moderner Midrasch“ (contemporary midrash) bezeichnet.

Auch beim Bibliolog kann ich Geschichten aus der rabbinischen Auslegung einbringen. Das bietet sich besonders bei jüdisch-christlichen Gruppen an. In unserer Geschichte von Mosche und Zippora an einer späteren Stelle etwa so:

„Der Midrasch erzählt: Als Jitro der Heirat von seiner Tochter Zippora und Mosche zustimmt, da stellt er dem Mosche eine Bedingung. Von den Kindern, die Mosche und Zippora bekommen, muß die eine Hälfte als Midianiter erzogen werden, die andere Hälfte nach der Tradition von Mosche.“(1)

Ich frage nun Mosche, wie das aussehen soll, wenn die Kinder in einer Familie ganz unterschiedlich erzogen werden sollen, die einen ganz anders als die anderen?

– Ach. alles nicht so heiß gegessen wie gekocht
– Bis es soweit ist, hat mein Schwiegervater das vielleicht vergessen
– Wer weiß, wie die Situation dann sein wird, wenn die Kinder da sind
– bleibt mir wohl nichts anderes übrig als darauf einzugehen in meiner Lage
– Was der für Ideen hat und wie der sich das vorstellt … meinen andere Stimmen

Die Entdeckung des Textes geschieht also von innen heraus. Die Teilnehmenden begeben sich in die Erzählwelt des Textes hinein und übernehmen die Stimme einer biblischen Figur oder auch eines Gegenstandes. Das ist – und darin liegt eine besondere Chance – grundsätzlich für alle Teilnehmenden möglich, da es lediglich um eine identifikatorische Einfühlung in mögliche Gefühle, Gedanken, Reaktionen oder Impulse einer vorgestellten biblischen Person oder eines Gegenstandes geht.

Bibliolog mit Masken: Lydia, die Purpurhändlerin

Auf diese Weise bringen wir den Text in Resonanz zu unserem Leben und lassen ihn neu Gestalt annehmen, ringen ihm neue Bedeutungen ab. Im Bibliolog treffen zwei Welten aufeinander: Die Welt der biblischen Personen und unsere eigene innere Welt. Durch den Bibliolog finden wir unsere Stimmen im Text und die Stimmen des Textes in uns. All das geschieht liebevoll und mit Respekt für die verschiedenen Auslegungstraditionen aus unterschiedlichen Zeiten und in der Offenheit für Anregungen aus Psychologie, Geschichte, Archäologie, Ethnologie, Literaturwissen-schaft, Sozialwissenschaft, textkritischen Ansätzen …

Bibliolog eröffnet neue Begegnungsräume mit Texten von Menschen unterschiedlicher Herkunft und religiöser Traditionen. Ganz wichtig ist dabei, dass der Umgang mit dem Text kein beliebiger im Sinne eines „everything goes“ ist. Die subjektiven Zugänge und Aussagen der einzelnen bereichern, ergänzen und korrigieren sich. Keine einzelne Deutung kann einen allein gültigen Wahrheitsanspruch erheben. Die Textbegegnung ermöglicht eine vertiefende Erschließung durch die ganz unterschiedliche Füllung von Leerstellen durch die Teilnehmenden.

Aufbauform Encounter: Leah und Rachel

Jede und jeder kann im Prozess bestimmen, ob und in welchem Ausmaß er oder sie sich einbringen möchte. Bibliolog ermöglicht ein sehr unterschiedliches Ausmaß an Partizipation. Wenn jemand „nur“ zuhören möchte ist das auch in Ordnung. Alle Teilnehmenden bestimmen selber Nähe und Distanz zum Text als Ganzen als auch zu einzelnen Personen, Passagen und Perspektiven. In den verschiedenen Abschnitten eines Bibliologs ist ein unterschiedliches Ausmaß an aktiver Teilnahme bzw. Rückzug möglich.

Eine besondere Verantwortung liegt deshalb bei den Bibliolog Anleitenden wenn sie Fragen entwickeln. Es geht nicht darum, irgendwelche Fragen, die einem spontan interessieren oder einfallen in den Raum zu stellen, sondern Fragen zu stellen, die am Text entlang gehen, ein großes Spektrum von unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten eröffnen, jedoch niemals gegen den Text laufen dürfen. Mosche kann deshalb nicht am Brunnen von Midian befragt werden, was er jetzt macht wenn er sieht wie die Hirten mit den jungen Frauen umgehen, denn das wird im Text erzählt. Im Bibliolog hat immer das schwarze Feuer das letzte Wort. Deshalb wird am Ende eines jeden Bibliologs der Text nochmals gelesen.

Für die Leitung eines Bibliologs ergibt sich daraus eine dreifache Aufgabe und Verantwortung, nämlich den Text, die Gruppe und den Auslegungsprozeß in eine gute Balance zu bringen. Bibliolog wirkt oft ganz einfach. Die Komplexität dieses Zugangs wird deshalb gern unterschätzt. Peter Pitzele schreibt in seinem Buch „Scripture Windows“ (2):

Bibliolog im Bibelgarten: Weinstock

„Der Bibliologe ist jemand, der religiöse Texte vermittelt und auslegt. Er soll sich bewußt sein und den Teilnehmenden transparent machen, was sein Kenntnisstand ist, wo seine persönlichen Befangenheiten sind und von welchen Grundwerten er geprägt ist, und wie all dies seinen persönlichen Arbeitsstil prägt. Bibliolog ist kein Werkzeug zur Indoktrination, sondern eine Methode Texte zu erforschen und auszulegen. Bibliolog ist seinem Wesen nach inklusiv und pluralistisch orientiert …Bibliolog entwickelt einen Teil seiner Kraft aus dem Nährboden der persönlichen Geschichte, die unterhalb unserer aktiven Interpretation liegt. Es ist weder meine Aufgabe als Leitung, diese tieferen Schichten der Erinnerung und der persönlichen Geschichte an die Oberfläche zu zerren, noch, sie deutlicher zu machen, als die Betreffenden es freiwillig anbieten. Es ist aber auch nicht meine Aufgabe, diese Informationen zu unterdrücken. Meine Aufgabe ist es, dem Prozess zu vertrauen und durch meine Leitung und die von mir gesetzten Schranken sicherzustellen, dass diese Arbeit in interpretativem Spiel, die den Text und die Person miteinander verwebt, weder den Text noch die Person verletzt… Ausbildung und Einübung, wie mit den persönlichen Dimensionen in der bibliologischen Arbeit umgegangen werden kann, sind eine unabdingbare Voraussetzung um Bibliolog zu praktizieren“. In Deutschland werden dazu an unterschiedlichen Institutionen viertägige Bibliolog-Grundkurse angeboten.

Im Unterschied zum im deutschsprachigen Raum besser bekannten Bibliodrama ist Bibliolog auch in kürzeren Zeiträumen (ab 20 Minuten) und mit größeren Gruppen durchführbar. Peter Pitzele arbeitet gelegentlich mit mehreren hundert Teilnehmenden. Beim Bibliodrama verabreden sich die Teilnehmenden zu Textauslegung UND Selbsterfahrung. Beim Bibliolog steht die Textauslegung im Mittelpunkt. Selbsterfahrung wird von der Leitung nicht thematisiert. Beim Bibliolog ist auch eine stille Teilnahme möglich.

Bibliolog mit Objekten: Abrahams Familie

Seit über vier Jahren biete ich einmal monatlich eine offene interreligiöse Bibliologwerkstatt an, die in einem interkulturellen Stadtteilzentrum stattfindet. Die Teilnehmenden kommen von ganz unterschiedlichen weltanschaulichen Prägungen: Christinnen verschiedener Denominationen, liberale Jüdinnen und Juden, Säkulare, Bahai, Buddhistinnen und Buddhisten und andere, nahmen bis jetzt teil. Unerwartet schwierig erwies es sich, Muslime und Musliminnen „ins Boot“ zu bekommen. Die Zusammensetzung der Gruppe schwankt sehr stark. Deshalb ist es besonders wichtig, dass jeder Abend in sich abgeschlossen ist.
Im ersten Jahr standen die „Frauen um Moses“ (die Hebammen Schifra und Puah, die Mutter Jochewed, die Schwester Miriam, die Ehefrau Zippora sowie die fünf Töchter des Zelophchad) im Mittelpunkt der Abende. Im zweiten Jahr beschäftigte uns die Familiengeschichte und die Beziehungen von Abraham, Sarah, Hagar, Jischmael und Jitzchak in Tanach und Midrasch. Im dritten Jahr beschäftigen wir uns mit „Begegnungen an Brunnen und Quellen“ und seit Beginn des vierten Jahres stehen „Geschichten vom Fortgehen und Ankommen“ im Mittelpunkt.

Bibliolog mit biblischen Erzählfiguren zur Begegnung von Maria und Elisabeth Lk 2

Im Gegensatz zum christlich-jüdischen Gespräch kommen zu diesen Abenden viele Menschen, die religiös nicht von diesen Traditionen geprägt sind, sie aber aus unterschiedlichen Gründen kennen lernen wollen. Oft äußern die säkularen Teilnehmenden den Wunsch, sich damit zu beschäftigen, um ihr Verständnis zu erweitern. Für manche ist ein literarisches Interesse der Ausgangspunkt, entweder die Bibel als wichtiges Werk der Weltliteratur an sich oder als Vorlage für literarische Werke (Joseph und seine Brüder). Andere wollen die Mythen und Geschichten kennen lernen und verstehen, die unsere Kultur prägen. Immer wieder wird auch das Interesse benannt, sich Kunstwerke erschließen zu können – sei es in Museen oder an Fassaden oder in Innenräumen von Kirchen.

Gerade für säkulare Teilnehmende ist es von großer Bedeutung, dass es im Bibliolog keine falschen Beiträge gibt und sie nicht „zugetextet“ oder „bepredigt“ werden. Das wird von ihnen in besonderem Maße als befreiend erlebt und ermöglicht ihnen, sich in den Text hineinzubegeben und zu experimentieren. Oft sind sie im Nachgespräch erstaunt, wie viel sie eingebracht haben und wie ihre Beiträge von anderen aufgenommen und weitergeführt wurden.

Peter Pitzele: Vorübung Sculpting

Peter Pitzele: Vorübung Sculpting

Da jede Perspektive respektvoll behandelt wird und gleiche Gültigkeit hat, wird die Unterschiedlichkeit der Perspektiven als bereichernd erlebt und benannt. Insider sind mit ihrem Vorwissen nicht im Vorteil, wobei nicht verschwiegen werden soll, dass gerade dies für manche religiös geprägten Menschen schwierig ist. Bibliolog fördert nicht nur Diversität, sondern lebt geradezu davon.

Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich Monate später auf Bibliologe angesprochen werde, wie viel gerade säkulare Teilnehmende, für die es eine Erstbegegnung mit dem Text und oft auch mit biblischer Tradition insgesamt war, noch von der Textgestalt, aber auch von Beiträgen anderer Teilnehmender behalten haben. Die bringen zum Ausdruck, wie sehr sie es schätzen, dass sie Texte kennen lernen konnten, eigene und fremde Perspektiven erlebt haben und nicht „zugetextet“ oder „bepredigt“ worden sind.
Mich haben Bibliologe mit säkularen Menschen gerade in interreligiösen Kontexten sehr bereichert. Da mir durch den unverstellten Zugang dieser Teilnehmenden ganz neue Fragehorizonte eröffnet worden sind, bin ich sehr dankbar für Bibliolog als Weg, der Menschen ganz unterschiedlicher kultureller, religiöser und altersmäßiger Herkunft zusammenbringt.

Eine Teilnehmerin der interreligiösen Bibliolog-Werkstatt, die auf alle Formen von Religionsausübung heftig reagierte, schreibt dazu:

„Um meine Religionsphobie los zu werden, begebe ich mich seit geraumer Zeit in eine Gruppentherapie, die in meinem Stadtteilzentrum angeboten wird. Zwar ist dies nicht als Gruppentherapie gedacht, sondern nennt sich „Bibliolog“, der aus dem Judentum entstanden und interreligiös angelegt ist, aber auf mich eine therapeutische Wirkung hat. Bereits nach den ersten Sitzungen bin ich nicht mehr schreiend vor religiösen Menschen (egal welcher Religion) weggelaufen, sondern konnte mich diesen stellen. Nicht nur das: Ich habe mir inmitten einer Welt, in der Religionen für Macht- und Hegemoniezwecke militarisiert werden in der Auseinandersetzung mit dem Bibliolog den Standpunkt des Agnostizismus erarbeitet, wodurch ich gegenüber religiös fühlenden Menschen tolerant und offen reagieren kann und ihnen nunmehr offen und herzlich begegnen kann. Damit habe ich nun den Vorteil, dass ich mit den gemäßigt religiösen Menschen und auch denen die eine gute Ethik aus ihrem Glauben heraus praktizieren, offen kommunizieren kann. Ich lehne sie nun nicht mehr ab und diese Menschen sind durch den Respekt, den ich ihnen zeige, auch gewillt, meine Zweifel und Kritik nachzuvollziehen“

(1) Sefer VaYosha 42-43 zit. Nach: Ginzberg Louis, The Legennds of the Jews, Philadelphia 1968; 2:294
(2) Pitzele, Peter, Scripture Windows, Towards a Practice of Bibliodrama, New York, 1998, S.220

Die Verfasserin studierte Sozialwesen, Pädagogik und Linguistik, Ausbildung in Existenzanalyse und Logotherapie nach Viktor Frankl, Weiterbildung in Bibliodrama, Kunst- und Gestaltungstherapie, lebt seit 1991 in Berlin, arbeitet als freiberufliche Bildungsreferentin und Autorin in Berlin; deutsche Übersetzung und Bearbeitung der CD-Rom „Tour durch die Bibel“, Stadtrundgänge zum jüdischen Berlin . Sie ist die einzige jüdische Ausbilderin im europäischen Netzwerk Bibliolog

2 Gedanken zu „Bibliolog – Aus Liebe zur Schrift

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