Um an einem Bibliolog teilzunehmen sind einige Grundfähigkeiten nötig, die Kinder meist in der ersten Hälfte des zweiten Schuljahres gut beherrschen, wie etwa sich melden, wenn man etwas sagen möchte oder abwarten können bis man mit dem Sprechen dran ist. Meist ist das während des ersten Halbjahres der zweiten Klasse der Fall. Trotzdem kann es von Schülergruppe zu Schülergruppe bzw. Kindergruppe zu Kindergruppe große Unterschiede geben. Günstig ist es, wenn Kinder Rituale kennen, weil Bibliolog ein in sich abgeschlossenes Ritual ist.
Mit einer Trainerkollegin habe ich einen Bibliolog in der zweiten Grundschulklasse einer katholischen Schule gemacht. Für alle Kinder war es die erste Erfahrung, die sie mit Bibliolog gemacht haben. Wir waren für sie Besuch, also keine regulären Lehrpersonen. Die normale Sitzordnung in der Klasse war in Tischgruppen mit einer freien Fläche in der Mitte des Klassenzimmers. Für den Bibliolog wollten wir lieber einen Stuhlkreis haben. Allein in der Art, wie die Klassenlehrerin das Aufstellen des Stuhlkreises angeleitet hat und welche Ruhe darin blieb, machte uns deutlich, daß die Kinder mit Ritualen vertraut sind. Wir waren sehr überrascht, daß wir 1 1/4 Stunden am Stück mit den Kindern bibliologisch arbeiten konnten. Eigentlich wollten wir zwei kürzere bibliologische Sequenzen mit einer kreativen Phase dazwischen machen. Da die Kinder so begeistert und intensiv dabei waren, haben wir sogar noch die Geschichte (Jona) mit einem nicht-narrativen Text kombiniert.
Drei Wochen später war ich in einer freikirchlichen Kindergruppe eingeladen. Die Kinder stammten aus dem gleichen sozialen Milieu wie die in der katholischen Grundschule, waren allerdings etwas älter (neun bis zwölf Jahre). Ich war davon ausgegangen, daß es mit diesen etwas älteren Kindern einfacher sein würde. Darin sollte ich mich getäuscht haben. Es war der gleiche Text und die gleichen Fragen – ohne den nicht-narrativen Text. Die freikirchlichen Kinder taten sich sehr viel schwerer als die aus der katholischen Grundschulklasse.
Gern wird Bibliolog auch im Schulgottesdienst gemacht. Ich habe keine Erfahrungen damit, aber viele positive Berichte gehört. Wenn Bibliolog im Familiengottesdienst angeboten wird, hören kleinere Kinder (jünger als Grundschulalter) gern zu und äußern sich auch gelegentlich – jedoch eher selten.
Nachtrag: Bibliolog im Kindergarten:
Bibliolog im Kindergarten scheint mir eher unrealistisch, denn die hierfür erforderlichen Fähigkeiten dürften nur einzelne Kinder im Kindergartenalter haben. Ich höre immer wieder Erzählungen über „Bibliolog im Kindergarten“. Auf intensives Nachfragen stellt sich dann heraus, daß es sich nicht um eine klassische Kindergartensituation (altersgemischte Gruppe von 3 – 6jährigen Kindern) gehandelt hat, sondern daß es eine Vorschulgruppe kurz vor dem Schuleintritt war und zwei Erwachsene dabei waren, wovon eine/r „disziplinarisch“ dafür sorgte, daß überhaupt etwas Bibliologähnliches stattfinden konnte. Da man im Kindergarten nicht an die 45-Minuten-Takte von Schulstunden gebunden ist und viel Freispielzeit hat, will mir auch nicht einleuchten, was der „Mehrwert“ eines Bibliologs in diesem Setting im Vergleich zu Rollenspielformen sind, die bei Kindergartenkindern im allgemeinen sehr beliebt sind.
Bei Erzieherinnenfortbildungen finde ich Bibliolog eine sehr gute Möglichkeit, um biblische Texte einzuführen und „von innen“ wahrzunehmen und so Erzieherinnen einen Ausgangspunkt zu geben, von dem aus sie dann schauen, wie sie mit der Geschichte im Kindergartenalltag weitermachen. Solche Fortbildungsangebote gibt es in Berlin im Kirchenkreis Neukölln von Pfarrerin Ingrid Schröter, die für die religionspädagogische Fortbildung von Fachkräften in evangelischen Kindertagesstätten ist.